Forschung
Prof. Dr. Christian Melchers vom Forschungszentrums Nachbergbau der TH Bochum - Foto: THGA Bochum
02.01.2020

TH Georg Agricola Bochum: Nachbergbau entdecken und verstehen

Am 21.12.2018 ist mit der letzten Schicht im deutschen Steinkohlenbergbau eine neue Ära angebrochen: die Ära des Nachbergbaus. Denn als auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop das letzte Stück Kohle gefördert wurde, brachte es auch ganz neue Herausforderungen mit zu Tage. Das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum kümmert sich um diese Herausforderungen. Das interdisziplinäre Team erforscht, was nötig ist, um die Folgen des Bergbaus verantwortungsvoll zu managen.

Wie viele Facetten der Nachbergbau hat, kann seit heute jeder auf der neuen Website des Forschungszentrums entdecken: www.nachbergbau.org. Auf der Website stellt das FZN in modernem Design nicht nur seine aktuellen Forschungsprojekte, Publikationen und Erkenntnisse vor, sondern bietet vor allem eines: Antworten auf komplexe Fragen.

Was versteht man unter Grubenwasserhaltung? Säuft das Ruhrgebiet wirklich ab, wenn die Pumpen abgestellt werden? Was passiert international in Sachen Nachbergbau? Mit informativen Grafiken, kleinen Videos und Animationen gibt die neue Website einen Überblick über die wichtigsten Herausforderungen der Nachbergbauzeit. In interessanten Interviews erklären die Experten des FZN allgemeinverständlich die komplexen Zusammenhänge z. B. beim Thema Wasser: „Jede der so genannten Ewigkeitsaufgaben dreht sich um das langfristige, nachhaltige Management des Wasserhaushaltes in den Revieren an der Ruhr, der Saar und in Ibbenbüren“, sagt Prof. Dr. Christian Melchers vom Forschungszentrum. „Doch es gibt oftmals viele Unsicherheiten, welche Wässer wie miteinander im Zusammenhang stehen.“

Die neue Website schafft Klarheit, erläutert die Bedeutung von Grubenwasser, Grundwasser, Oberflächenwasser & Co. – und warum aus wissenschaftlicher Sicht die Aufgaben nicht wirklich ‚ewig‘ sind. „Ewigkeit dauert 25 Jahre. Danach wird ohnehin neu gedacht“, sagt Prof. Melchers im Interview. „Wir müssen daher immer wieder individuelle Lösungen finden, um die Ansprüche der Menschen und der Umwelt in Einklang zu bringen. Dafür brauchen wir auch weiterhin gut ausgebildete Fachleute, die wir in unserem Masterstudiengang Geoingenieurwesen und Nachbergbau selbst ausbilden.“

An den individuellen Lösungen wird in Bochum mit hochmodernen und teils ungewöhnlichen Methoden gearbeitet. Oder hätten Sie gedacht, dass man Bergbaufolgen auch vom Weltall aus beobachten kann? „Wir vergleichen engmaschig Satellitenbilder und können daraus etwa millimetergenau berechnen, ob sich der Boden absenkt oder es Veränderungen in der Vegetation gibt“, erklärt Prof. Dr. Tobias Rudolph, der für den Forschungsschwerpunkt „Geomonitoring“ zuständig ist. Der Fachmann kombiniert die Fernerkundungsdaten mit Informationen von der Erdoberfläche und dem Untergrund und erstellt dreidimensionale Abbildungen von Lagerstätten. Manchmal puzzelt er auch in 4D – dann kommt die Zeitkomponente hinzu. „Langfristig wollen wir die Erkenntnisse nutzen, um ehemalige Bergbauregionen umwelttechnisch zu überwachen und daraus ein Risikomanagement abzuleiten.“

Damit dies gelingt, arbeiten am FZN Expertinnen und Experten aus Bergbau, Geologie und Geotechnik, Hydrogeologie, Chemie, Elektrotechnik, Materialwissenschaften, Flächenentwicklung, Markscheidewesen und Wirtschaftswissenschaften Hand in Hand zusammen. Auf der Website www.nachbergbau.org stellen sie sich und ihre aktuellen Forschungsprojekte vor – vom Bereich Wissensmanagement bis zum untertägigen Überwachungssystem mit Tiefseesonden. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen-Bergbau-Museums Bochum sind dabei, die sich mit dem Erhalt von Industriekultur auseinandersetzen.

Im Schwerpunkt „Reaktivierung und Transition“ erforscht das FZN außerdem, wie sich die Zukunftspotenziale ehemaliger Bergbauregionen nutzen lassen und wie Infrastrukturen, Flächen, Halden und andere Hinterlassenschaften erfolgreich reaktiviert werden können. „Schließlich verstehen wir unter Nachbergbau all das, was nach der eigentlichen Rohstoffgewinnung passiert. Dazu zählen nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen – ein weites Feld, das genügend Stoff für spannende Forschung liefert“, sagt Prof. Melchers. „Und eine Ära, die uns sicher noch länger beschäftigen wird als der teils jahrhundertelange Abbau selbst.“

TH Georg Agricola Bochum