Wirtschaft News
IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs - Photo: Industrieverband Blechumformung (IBU)
30.03.2021

Stahlversorgung sicherstellen: Safeguards sind unnötig

Bedrohung fehlt – Schutzmaßnahmen nicht WTO-konform – Stahlmangel verschärft sich

Die befürchtete Importflut fehlt, Einfuhrquoten sinken, globale Stahlkapazitäten sind überschaubar. Für die EU-Stahlindustrie besteht keine Gefahr – sie profitiert sogar gerade vom Stahlmangel. Trotzdem überprüft die EU-Kommission, ob die Stahlindustrie im Sommer einen wärmenden Wintermantel in Form von Safeguards brauchen könnte. Damit wäre für stahlverarbeitende Industrien mit 3,5 Millionen Arbeitsplätzen das große Frieren angesagt: Ihnen fehlt schon jetzt das Vormaterial, die Preise explodieren, Produktionsstopps drohen. Und mildernden Stahleinfuhren aus Drittländern schieben Safeguards eine Schranke vor. Mit Nachdruck protestieren daher der Industrieverband Blechumformung (IBU) und die Fachvereinigung Kaltwalzwerke (FVK) in einer Stellungnahme an die EU-Kommission gegen eine mögliche Verlängerung.

Brüssel hat gerade auf Antrag der Stahlindustrie angekündigt, eine Ausweitung der Safeguards über Ende Juni 2021 hinaus zu überprüfen. IBU und FVK, deren Mitglieder rund 7,5 Millionen Tonnen Stahlkomponenten jährlich produzieren, sehen keine Voraussetzung dafür:

„Die Fortsetzung wäre nicht WTO-konform, da keine ‚Gefahr schwerer Verletzungen‘ der Branche bevorsteht“, so IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs. „Die Argumente der Stahlindustrie, unterstützt von Wirtschaftsministerien aus zwölf EU-Nationalstaaten, basieren auf Fehlinterpretationen und Nichtberücksichtigung von Daten. Ausreichend Belege für eine notwendige Ausweitung der Schutzmaßnahmen fehlen.“

Laut Stahlindustrie hat sich die Stahlnachfrage noch nicht erholt. Angesichts des aktuellen Mangels eine erstaunliche Behauptung. Bei den ins Feld geführten Einfuhrzahlen lassen die Befürworter von Safeguards die sinkenden Marktanteile der Importe aus Drittländern im zweiten und dritten Quartal 2020 außer Acht.

FVK-Geschäftsführer Martin Kunkel: „Wir fordern die Kommission auf, alle relevanten Zeiträume einzubeziehen. Auch der Hinweis auf den anhaltenden Importdruck auf die EU ist fragwürdig, wenn Verantwortliche nur Belege für vier von 26 Produktkategorien liefern. Hier muss die Kommission sämtliche Zahlen hinzuziehen.“

IBU und FVK stützen sich auf Fakten. Die aufgrund von Protektionismus befürchtete Handelsumlenkung Richtung Europa – samt Schädigung der Stahlbranche – existiert nicht. Im Gegenteil: Die Statistik zeigt etwa für Walzstahlimporte 2020 einen Tiefstand – die Rückgänge zeichneten sich schon vor Corona ab. Die globalen Stahlkapazitäten sind auch nicht bedrohlich – eine jüngste Analyse der OECD zur Stahlproduktion registriert von 2017 bis 2019 nur einen geringfügigen Anstieg: um 13 Millionen auf 2,414 Milliarden Tonnen. Tendenz fallend. Und auch der Druck Chinas auf den Markt sinkt nachweislich.

Die Pro-Safeguard-Fraktion spricht von Schwierigkeiten der Stahlproduzenten: reduzierte Produktion, geringere Kapazitätsauslastung, schwächere Umsätze und Gewinnmargen zwischen 2018 und dem dritten Quartal 2020. Verursacher sind aber nicht Importe aus Drittländern.

„Die Produzenten der EU haben die bisherigen Safeguards nicht genutzt, um Kapazitäten an veränderte Umstände anzupassen. Diese Verpflichtung zur Umstrukturierung ist grundsätzlich Bestandteil einer Schutzmaßnahme“, kritisieren IBU und FVK. Jacobs: „Angesichts der Fakten fragen wir uns: Sollen die Safeguards nur die Stahlproduzenten vor den Folgen hausgemachter Probleme schützen? Damit wäre ihr WTO-konformer Sinn verfehlt. Die Maßnahmen haben nicht den Zweck, EU-Herstellern Marktanteile zu garantieren.“

2020 litt auch die Stahlindustrie unter Absatzproblemen. Aber bereits im November kletterte der Auftragseingang auf den höchsten Stand der letzten drei Jahre. Diese positive Lage berücksichtigt der Antrag gar nicht. Der für Produzenten „nützliche“ Stahlmangel bedroht nun die Verarbeiter und ihren Erholungsprozess. Die Verbände wehren sich daher gegen eine Instrumentalisierung der Schutzmaßnahmen zum Schutz der Hersteller.

„Es kann nicht im Interesse der EU liegen, dass rund 382.000 Unternehmen mit circa 3,5 Millionen Arbeitsplätzen – zehnmal mehr als auf dem Stahlherstellersektor – gefährdet sind, nur weil sie ihren Bedarf nicht über frei gehandelte Einfuhren decken können. Diesen Marktzugang dürfen Safeguards nicht länger verhindern“, fordert Martin Kunkel.

Und hofft, dass die EU-Kommission in Brüssel nicht länger auf Basis von ausgewählten Daten, sondern anhand von allen vorliegenden Fakten entscheidet.

(Quelle: Industrieverband Blechumformung e.V.)

 

Martin Kunkel, Geschäftsführer der FVK - Photo: Industrieverband Blechumformung (IBU)
Photo: Industrieverband Blechumformung (IBU)

Schlagworte

IBU

Verwandte Artikel

Thiago Turchetti Maia, Executive Vice President Automation, Digital & Service Solutions, präsentiert den X Pact® Digital Hub beim Go to Market Event am SMS-Campus — ein zentrales Software-Ökosystem zur Vernetzung von über 300 Anwendungen und zur Beschleunigung der Transformation hin zur vollautonomen, produktiveren und nachhaltigeren Metallproduktion.
24.11.2025

SMS group setzt mit X-Pact® Digital Hub neuen Meilenstein

Mit dem X-Pact® Digital Hub präsentiert SMS group ein Software-Ökosystem, das die Metallindustrie revolutionieren und zugleich Produktivität und Nachhaltigkeit steigern s...

Anlagen Architekt Architektur Automation Automatisierung Digitalisierung Energie EU HZ IBU Industrie ING Metallindustrie Nachhaltigkeit Produktion Service SMS group GmbH Software Transformation USA Zahlen
Mehr erfahren
Vertreter von Primetals Technologies und Jinxi Iron and Steel bei der Vertragsunterzeichnung
20.11.2025

Primetals Technologies erhält Großauftrag für zwei Stranggießanlagen

Der chinesische Stahlproduzent Hebei Jinxi Steel Group beauftragte Primetals Technologies mit der Lieferung von zwei Stranggießanlagen.

Anlagen Automatisierung Blech Bleche Bramme China Coils Digitalisierung Draht Energie EU Gesellschaft Hebei Jinxi Steel Group IBU Inbetriebnahme ING Investition KI Lieferung Ltd Ltd. Messung Optimierung Primetals Produktion Prozessautomatisierung Prozesssteuerung Rohre Stahl Steuerung Stranggießanlage Stranggießanlagen Unternehmen USA
Mehr erfahren
Das ARCTIC15 Speziallager im Detail
11.11.2025

Neuer Wälzlagerstahl für Flugzeugtriebwerke

Mit der Entwicklung des temperatur- und korrosionsbeständigen Stahls ARCTIC15 für Flugzeugtriebwerke setzt der Wälzlagerhersteller SKF seine Bemühungen um intelligente, s...

Anlagen Emissionen Entwicklung EU Flugzeugtriebwerke HZ IBU Industrie Innovation Keramik Klage Klima Konstruktion Kooperation Nachhaltigkeit Patent Spezialstahl Stahl Technik Temperatur Unternehmen Wälzkörper Wälzlager Werkstoff Zahlen Zusammenarbeit
Mehr erfahren
Guido Kerkhoff, CEO Klöckner & Co SE
06.11.2025

Klöckner & Co verdoppelt operatives Ergebnis

Im dritten Quartal 2025 erzielte Klöckner & Co ein EBITDA vor wesentlichen Sondereffekten von 43 Mio. €, was einer deutlichen Steigerung im Vergleich zum Vorjahresquartal...

Anarbeitung Bund Deutschland Distribution Entwicklung Ergebnis EU Gesellschaft Getriebe IBU ING Investition Kerkhoff KI Nordamerika Restrukturierung Service Stahl Strategie Unternehmen Verkauf
Mehr erfahren
Knauf Interfer hat das Portfolio im Bereich der Bandveredelung deutlich erweitert. Im Bild: Zink nachbehandelt
23.10.2025

Knauf Interfer – Wertschöpfungspartner mit neuer Struktur

Mit erweitertem Portfolio und leistungsstarker Logistik positioniert sich Knauf Interfer als Wertschöpfungspartner in der Kette von der Stahlerzeugung bis zum Verbraucher...

Anarbeitung Blech Bleche Blechexpo Deutschland Distribution Duisburg EU Gesellschaft Handel IBU ING Investition Kaltband Knauf Interfer SE Lieferketten Logistik Nachhaltigkeit Neubau Optimierung Produktion Querteilanlage Service Stahl Stahlerzeugung Strategie Unternehmen Vertrieb Wettbewerb Wirtschaft Zink
Mehr erfahren