Unternehmen Trendthema News
Liv Adler von Covestro leitete das EU-Förderprojekt - Photo: Covestro AG
07.04.2021

Wertstoffe aus dem Schornstein

Hochofengas aus der Stahlherstellung als Kohlenstoffquelle für Kunststoffe

Wie lassen sich Gasgemische aus der Industrieproduktion sinnvoll nutzen, um chemische Bausteine herzustellen und gleichzeitig Erdöl einzusparen? Das Forschungskonsortium des Projekts Carbon4PUR hat darauf Antworten gefunden. Nach rund dreieinhalb Jahren Forschungsarbeit wurden nun die finalen Ergebnisse vorgestellt.  

In dem von der Europäischen Union geförderten, branchenübergreifenden Projekt (Fördervereinbarungs-Nr. 768919) haben 14 industrielle und akademische Partner aus sieben Ländern eine neue Technologie erforscht. Diese soll es ermöglichen, Gasströme aus Stahlwerken in der Polyurethanproduktion einzusetzen. Das vom Werkstoffhersteller Covestro geführte Konsortium untersuchte dabei, wie kohlenstoffmonoxid (CO) - und -dioxid (CO2) -haltiges Hochofengas aus der Stahlherstellung als Kohlenstoffquelle für Polyole genutzt werden kann. Polyole sind Vorprodukte und Schlüsselkomponenten von Dämmstoffen und Beschichtungen auf Polyurethanbasis und werden üblicherweise aus Erdöl gewonnen.  

Das Fazit: Ökologisch wie ökonomisch wurde die neue Technologie als vorteilhaft bewertet.

„Vermeintliches Abgas lässt sich ein weiteres Mal als Wertstoff effizient nutzen und in den Kreislauf zurückführen: Die Ergebnisse des Forschungsprojekts haben das Potenzial, Produktionsprozesse zu revolutionieren. Das ist eine großartige Erkenntnis und ein bedeutender Meilenstein hin zur Kreislaufwirtschaft. Alternative Rohstoffe werden Realität“, sagt Dr. Markus Steilemann, Vorstandsvorsitzender von Covestro.

Ein zentraler Erfolg von Carbon4PUR ist die Identifizierung neuartiger Katalysatoren, die die Herstellung neuer Polyole ermöglichen. Mit Hilfe dieser Katalysatoren ist es den Forschungspartnern gelungen, Polyole unter Einsatz von kohlenstoffmonoxid (CO) -haltigen Gasgemischen im Labormaßstab herzustellen. In dem neuartigen Vorprodukt konnten 27 Prozent CO gebunden werden.  

Die aus Carbon4PUR gewonnenen Erkenntnisse könnten auch die von Covestro entwickelte CO2-Technologie erweitern. Das mit Hilfe der derzeitigen CO2-Technologie entwickelte nachhaltige Polyol cardyon® enthält bis zu 20 Prozent Kohlenstoffdioxid statt Erdöl. Es wird beispielsweise für die Herstellung von Polyurethan-Weichschaum in Matratzen, von Bindemitteln für Sportböden oder von elastischen Fasern eingesetzt. Mit dem neuen Wissen könnte die Technologie möglicherweise auf die Nutzung CO2-haltiger Gasgemische wie Hochofengas aus der Stahlherstellung erweitert werden.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die Carbon4PUR-Techologie erfolgreich im semi-industriellen Maßstab umgesetzt. Erste Anwendungsbeispiele konnten bereits von der Geschäftseinheit Dämmung des Unternehmens Recticel (Belgien) und vom Chemiekonzerm Megara Resins (Griechenland) demonstriert werden. Beide Unternehmen haben Produkttests auf Basis der Forschungsergebnisse durchgeführt.

„Wir haben gezeigt, dass Polyole, die auf der neuen Carbon4PUR-Technologie basieren, erfolgreich in Hartschaumstoffe eingearbeitet werden können, um Dämmplatten mit technischen Spezifikationen herzustellen, die mit dem aktuellen Marktstandard vergleichbar sind“, sagt Dr. Geert Snellings, Innovation Manager bei Recticel. Megara Resins ist es gelungen, die neuen Polyole in wässrigen Polyurethan-Dispersionen für Holzbeschichtungen zu verarbeiten.  

Darüber hinaus hat die RWTH Aachen im Rahmen von Carbon4PUR die Akzeptanz von Carbon-Capture-and-Utilisation (CCU) am Beispiel von Dämmplatten in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. Der Begriff steht für die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid und die Verwendung für weitere chemische Prozesse.

„Wir haben festgestellt, dass die Öffentlichkeit noch viel zu wenig über die CCU-Technologie weiß. Wenn die Endverbraucher jedoch ausreichend informiert werden, zeigt sich eine generell positive Einstellung“, erklärt Prof. Dr. Martina Ziefle vom Lehrstuhl für Communications Science an der RWTH Aachen. „Dennoch besteht weiterhin die Notwendigkeit, den Bekanntheitsgrad von CCU zu erhöhen, um die Akzeptanz der Technologie und des Produkts zu stärken." 

Carbon4PUR ist ein einzigartiges Beispiel für die Kooperation von Partnern aus der gesamten Wertschöpfungskette. So konnte etwa die neuartige Zusammenarbeit zwischen Stahl- und Chemieindustrie am französischen Standort Marseille-Fos evaluiert werden. Dort liegen ein Stahlwerk von ArcelorMittal und eine Produktionsanlage von Covestro in unmittelbarer Nachbarschaft.

„Das branchenübergreifende Projekt hat den Verbundgedanken in der europäischen Industrie nochmal gestärkt“, so Dr. Alexis Bazzanella von der DECHEMA. „Gleichzeitig zeigen Projekte wie Carbon4PUR, dass europäisches Engagement für Klimaschutz und Ressourceneffizienz Arbeitsplätze schaffen und sichern kann.“

(Quelle: Covestro AG)

 

Schlagworte

Covestro AGForschung

Verwandte Artikel

Gesteinskörnungen aus Eisenhüttenschlacke
05.09.2024

Kreislaufwirtschaft und Sekundärrohstoffe stärken

Das FEhS – Institut für Baustoff-Forschung hält die geplanten Maßnahmen in den Politischen Leitlinien der EU-Kommission 2024-2029 für richtungsweisend.

ABB Baustoffe EU EU-Kommission Forschung IBU Industrie ING Rohstoffe Schlacke Sekundärrohstoffe Stahl Stahlindustrie Umwelt Umweltschutz Wirtschaft
Mehr erfahren
Links: Tom Eriksson, EVP & Leiter der strategischen Forschung und Anders Söderholm, Präsident KTH
27.08.2024

Alleima und KTH gehen eine Partnerschaft ein

Das in Sandviken ansässige Unternehmen Alleima, ein weltweit tätiger Hersteller von hochwertigem Edelstahl und Speziallegierungen, hat eine Vereinbarung mit KTH Royal Ins...

Architekt Architektur Ausbildung Edelstahl Entwicklung EU Forschung Gesellschaft Industrie ING Innovation Kooperation Legierungen Partnerschaft Sandvik Schweden Stahl Studie Unternehmen USA Vereinbarung Wettbewerb Zusammenarbeit
Mehr erfahren
Eine Wasserstoffpipeline
07.08.2024

ArcelorMittal mit neuem Stahl für Wasserstoffpipelines

ArcelorMittal kündigt die Einführung eines neuen Stahlangebots für den Bau von Wasserstoffpipelines an, um den Ausbau der Wasserstoffgasinfrastruktur zu unterstützen. Der...

Anlagen Bremen CO2 Emissionen Energie Energiewende Entwicklung Erdgas EU Forschung Frankreich Industrie ING Investition Konstruktion Produktion Stahl Stahlwerk Transport Unternehmen USA Wasserstoff Zertifikat
Mehr erfahren
Von links nach rechts: Piotr Ksen, Projektleiter, Hans-Jörg Baumgartner, Prozessingenieur, beide Primetals Technologies; Jan Baalbergen, Projektleiter bei Tata Steel IJmuiden; Christoph Aichinger, Head of Agglomeration, und Thomas Marton, Commercial VP Ironmaking, beide Primetals Technologies
07.08.2024

Tata Steel IJmuiden investiert weiter in Eisenerzaufbereitung

Ein neues Prüfsystem soll im Rahmen einer Proof-of-Technology-Studie die selbst hergestellten Eisenerzpellets analysieren und dazu beitragen, die Prozessparameter der Pel...

Anlagen Anlagenbau CO2 CO2-Emissionen CO2-neutral Direktreduktion Elektrolichtbogenofen Emissionen Entwicklung Ergebnis EU Forschung Green Steel Hochofen IJmuiden ING Investition Koks Lichtbogenofen Partnerschaft Primetals Produktion Profile Rohstoffe Schrott Stahl Stahlproduktion Stahlunternehmen Temperatur Umwelt Unternehmen USA Wasserstoff Wettbewerb Zusammenarbeit
Mehr erfahren
06.08.2024

Swiss Steel-Tochter stellt neuen Federdraht vor

Ugitech, ein Unternehmen der Swiss Steel Group, stellt den Federdraht UGI 4462 HS vor. Er wurde entwickelt, um eine Kombination aus mechanischen Eigenschaften und Korrosi...

Automobil Chrom Draht Entwicklung EU Forschung Frankreich Industrie ING Kanada Messung Produktion Stahl Swiss Steel Group Technik Ugitech Unternehmen USA Zusammenarbeit
Mehr erfahren