Wirtschaft
Tom Kober, Leiter der PSI-Forschungsgruppe Energiewirtschaft, auf dem Forschungsareal des PSI - Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer
07.05.2020

Studie: Zusammenhang von Energiepreis und -verbrauch in der Industrie

Preissteigerungen wirken sich meist nur langfristig auf den Energieverbrauch aus

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben gemeinsam mit britischen Ökonomen untersucht, wie sich der Energieverbrauch der Schweizer Industrie in Abhängigkeit von den Energiepreisen entwickelt. Dazu betrachteten sie insbesondere die Preise und den Verbrauch sowohl von Elektrizität als auch von Erdgas der vergangenen Dekaden. Ein Resultat: Preissteigerungen bei der Energie wirken sich meist nur langfristig auf den Energieverbrauch aus. 

In der vorliegenden Studie haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI in einem vom Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) geförderten Forschungsprojekt gemeinsam mit Ökonomen des britischen Beratungsunternehmens Cambridge Econometrics eine Methode entwickelt, mit der diese Preiselastizität sowohl rückblickend nachvollzogen als auch in Szenarien für die Zukunft modelliert werden kann. "Als Datengrundlage für bisherige Entwicklungen haben wir sowohl vorhandene wissenschaftliche Literatur als auch Daten des BFE und der Internationalen Energieagentur IEA genutzt", erklärt Tom Kober, Leiter der PSI-Forschungsgruppe Energiewirtschaft und einer der Hauptautoren der Studie. Die Daten stammen aus einem Zeitraum, der sich von 1970 bis 2016 erstreckt. Dabei wurden Preise und Verbrauch von Erdgas und Elektrizität untersucht.
Die Reaktion erfolgt nach etwa fünf Jahren

Ein Ergebnis der rückblickenden Analyse ergab, dass sich Preissteigerungen kaum kurzfristig auf den Verbrauch von Gas und Elektrizität auswirken. Erst längerfristig, nach etwa fünf Jahren, konnten die Forschenden eine Reduktion des Energiebedarfs feststellen. Das lässt sich, laut der Studie, u.a. darauf zurückführen, dass es nach einem Preissignal in den meisten Fällen Zeit braucht, um Produktionsabläufe und Verfahren anzupassen oder in energieeffizientere Ausstattung zu investieren.

Dabei unterscheiden sich einzelne Branchen deutlich voneinander. So reagiert die Eisen- und Stahlindustrie, von der immerhin 6 % des Energieverbrauchs der Schweizer Industrie ausgeht, am wenigsten auf Teuerungen. Bei einem Preisanstieg von 1 % verringerte sich dort der Energieverbrauch lediglich um 0,14 %. Im Gegensatz dazu senkten Branchen wie die Nichtmetallischen Mineralien sowie die Papier- und Zellstoffindustrie ihren Energieverbrauch deutlicher infolge von Preissteigerungen. 1 % höhere Preise zogen hier einen um 0,7 % niedrigeren Energieverbrauch nach sich.

Um langfristige Entwicklungen des Energieverbrauchs der Industrie in Zukunft untersuchen zu können, entwarfen die Forschenden Szenarien, die sie mit Computermodellen berechneten. Das Szenario mit der Bezeichnung E-POL orientiert sich vor allem an der Energiestrategie 2050 der Schweiz. Das sogenannte CLI-Szenario basiert dagegen wesentlich auf der Klimastrategie der Schweiz, mit dem Netto-Null-Ziel für Treibhausgasemissionen zur Mitte dieses Jahrhunderts.

Stromanwendungen als Schlüssel zur Treibhausgasminderung

Sowohl im E-POL- als auch im CLI-Szenario gehen die CO2-Emissionen bis 2050 kontinuierlich zurück, wobei alle Industriebranchen zur Emissionsminderung durch vermehrte Stromanwendungen und den Ersatz beziehungsweise Einsparungen von Erdgas, Mineralölen und Kohle beitragen. Trotz der Anstrengungen zur CO2-Minderung wird sich der Anteil des Industriesektors an den Gesamtemissionen der Schweiz erhöhen, da die Reduktion in anderen Sektoren aufgrund von verstärkten Klimaschutzanstrengungen noch größer ausfällt. Insgesamt gehen die Forschenden von einer langfristigen Zunahme der Kosten für die Energienutzung aus und damit von einem Anstieg der Preise für ausgewählte Energieträger. 

So stellten die Forschenden u.a. einen besonderen Effekt bei der Entwicklung des Endenergieverbrauchs fest. Der Bedarf an Strom bleibt weitestgehend stabil oder wächst sogar. Dadurch steigt der Anteil der Elektrizität am gesamten Endverbrauch in allen drei Szenarien von etwa 24 % im Jahr 2015 auf 28 bis 35 % im Jahr 2030 und 32 bis 62 % im Jahr 2050. In absoluten Zahlen bleibt die Stromnachfrage in E-POL ungefähr auf dem Niveau von 2015, während sie im CLI-Szenario bis 2050 um fast 40 % steigt.

"In diesem Zusammenhang ist es enorm wichtig, wie der Strom produziert wird", betont Kober. "Für eine wirksame Reduktion der Treibhausgasemissionen ist deshalb der rechtzeitige Ausbau erneuerbarer Energie notwendig." Insgesamt ergibt sich daraus die Empfehlung, eine effiziente Stromnutzung in der Industrie zu fördern und gleichzeitig Anreize für den Ersatz fossiler Brennstoffe durch strombasierte Technologien beizubehalten. 

Paul Scherrer Institut/Sebastian Jutzi

Schlagworte

CO2-EmissionenEnergieForschung

Verwandte Artikel

Im Herzen der Bandgalvanik: Ein Stahlband durchläuft eine Verzinkungszelle
04.12.2025

Salzgitter AG und Umicore kooperieren

Salzgitter AG und Umicore‘s Business Unit MDS (Metal Deposition Solutions) haben gemeinsam einen Prozess etabliert, der die Rückgewinnung des seltenen Edelmetalls Iridium...

Automobil Bandverzinkung Elektrolyse Elektrolyseur Entwicklung EU Flachstahl Forschung ING KI Kooperation Kreislaufwirtschaft Recycling Salzgitter Flachstahl Salzgitter Flachstahl GmbH Stahl Technik Transformation Transformationsprozess Wasserstoff Wirtschaft Zink
Mehr erfahren
Schrottlager bei Feralpi
04.12.2025

Feralpi Group gewinnt den ESG Transparency Award

Die Feralpi Group wurde mit dem ESG Transparency Award 2025/2026 ausgezeichnet. Die Jury würdigte u. a., dass die Bedeutung der öffentlichen Nachhaltigkeitsberichterstatt...

Auszeichnung Award Bonn Energie Entwicklung Essen EU ING Klima Klimaschutz Nachhaltigkeit Stahl Strategie TEMA Umwelt Unternehmen Wettbewerb Wirtschaft
Mehr erfahren
Jochen Burg, CEO der SMS group, während seiner Eröffnungsrede auf der worldsteel Breakthrough Technology Conference.
03.12.2025

SMS stellt Instrument für Anlagenbewertung vor

Das datengetriebene Entscheidungswerkzeug - das Plant Assessment Tool (PAT) - nutzt live simulierte Modelle und Sensitivitätsanalysen zur Berechnung der tragfähigsten Weg...

Anlagen CO2 Dekarbonisierung Direktreduktion Eisenerze Elektrifizierung Emissionen Energie EU Getriebe Green Steel Hochofen IMU Industrie ING Innovation Nachhaltigkeit Paul Wurth SMS group Stahl Stahlindustrie Strategie Tata Steel Transformation USA Wettbewerb Wirtschaft Worldsteel Wurth
Mehr erfahren
von links nach rechts: Enrico Sbrighi, Elbert van Zanten, Johnathan Jacobus und Bart Kroesbergen
02.12.2025

Joop van Zanten tritt dem Verarbeiternetzwerk von SSAB bei

Das Blechbearbeitungsunternehmen JOOP® (Joop van Zanten B.V.) ist am 18. November offiziell dem STRENX® Certified Fabricators Network von SSAB beigetreten.

Blech Blechbearbeitung Bleche BRIC CO2 Deutschland Energie Entwicklung EU Finnland Handel Konstruktion LED Maschinenbau Metallverarbeitung Schweden Service SSAB Stahl Strategie Unternehmen USA Zertifikat
Mehr erfahren
Abkippen von Eisenhüttenschlacke
28.11.2025

EUROSLAG-Zahlen 2024 für Produktion und Verwendung von Eisenhüttenschlacken

40 Millionen Tonnen Naturgestein und 11,4 Millionen Tonnen CO2 ersetzt.

Baustoffe CO2 Eisenhüttenschlacke FEhS Institut für Baustoff Forschung e.V. Forschung Hochofen Industrie Klima Klimaschutz Kreislaufwirtschaft Produktion Regelwerk Rohstoffe Schlacke Stahl Stahlindustrie Stahlwerk Vorstand Wirtschaft Zahlen
Mehr erfahren