Trendthema
Stefan Dohler (L), EWE-Vorstands¬vorsitzender, und Dr. Alexander Becker (R), CEO der GMH Gruppe - Foto: Marco Ophaus / GMH
24.08.2023

Georgsmarienhütte treibt Wasserstoffprojekte voran

Der Stahlhersteller Georgsmarienhütte und Energiedienstleister EWE wollen gemeinsam Wasserstoffprojekte umsetzen und damit die Transformation der Region auf dem Weg in die Klimaneutralität voranbringen. Am 24. August haben Dr. Alexander Becker, CEO der GMH Gruppe, und EWE-Vorstands­vorsitzender Stefan Dohler in Georgsmarienhütte bei Osnabrück eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet.

Ziel ist es, die CO2-Emissionen bei der Stahlherstellung zu reduzieren. Ab 2039 soll der Stahl aus Georgsmarienhütte unter anderem durch den Einsatz von Wasserstoff vollständig klimaneutral hergestellt werden. Partner EWE will dafür grünen Wasserstoff aus Erzeugungsanlagen im Nordwesten Deutschlands liefern.  

Mit Blick auf eine klimaneutrale Energiezukunft eignet sich grüner Wasserstoff insbesondere für industrielle Anwendungen wie die Stahlerzeugung, die bisher jährlich beträchtliche CO2-Mengen freisetzt.

Stefan Dohler sagt:
„Ohne Wasserstoff wird die Energiewende nicht gelingen. Davon bin ich überzeugt. Denn nur durch die Umwandlung fluktuierender erneuerbarer Energien in Wasserstoff wird die Möglichkeit geschaffen, grüne Energie bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Wasserstoff ist damit eine unverzichtbare Komponente, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen und um die drei Sektoren Strom, Mobilität und Industrie zu koppeln." 

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette plant EWE daher gemeinsam mit Partnern Projekte und setzt diese sukzessive um – von der Erzeugung aus Erneuerbaren, über die Speicherung und den Transport bis zur Anwendung, vor allem in der Industrie und im Schwerlastverkehr.

EWE-Vorstandsvorsitzende erklärt:
„Mit unserer Infrastruktur, insbesondere im Bereich der Kavernenspeicherung und dem leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff, bieten wir die Grundlage dafür, einen Industrieverbraucher wie GMH im großen Maßstab sicher mit grünem Wasserstoff versorgen zu können."

Klimaneutrale Stahlherstellung ab 2039

Zu den Gründen der geplanten Kooperation äußert sich Dr. Alexander Becker, CEO der GMH Gruppe:
„Bis 2039 soll unsere Stahlproduktion klimaneutral sein. Als Zwischenschritt wollen wir unsere Emissionen bis zum Jahr 2030 bereits halbieren. Mit unserer Leittechnologie Elektrostahl und optimierten Prozessen sowie dem Einsatz von Wasserstoff statt Erdgas ist das realistisch machbar.

Nicht umsonst sind wir seit über 25 Jahren einer der Vorreiter bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Wir freuen uns daher, dass wir einen starken Partner in der Nähe unseres größten Stahlwerks gefunden haben, der diesen Weg gemeinsam mit uns gehen wird.“

Die Georgsmarienhütte war seinerzeit Pionier im Einsatz von Elektrolichtbogenöfen, in denen nahezu 100 Prozent Stahlschrott recycelt wird – anstatt Primärrohstoffe zu verarbeiten. Gegenüber der üblichen Hochofenroute entstehen im Elektrostahlwerk fünf Mal weniger CO2-Emissionen.

Durch die Nutzung von Ökostrom (Green Power) wird dieser Wert nochmals deutlich reduziert. Darüber hinaus kann das Unternehmen seit kurzem auch biogene Kohle für die Stahlproduktion einsetzen, wodurch dieser Wert um weitere 25 Prozent reduziert wird (Green Power Premium). Mit weiteren Transformationsprojekten wird die GMH Gruppe die angestrebte Klimaneutralität bis 2039 erreichen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der seine Teilnahme absagen musste, sagte im Vorfeld:
„Ich freue mich sehr, dass EWE und Georgsmarienhütte sich darauf verständigt haben, den Aufbau der Wasser­stoffindustrie deutlich zu beschleunigen. Für die neuen klimafreundlichen Prozesse werden große Mengen erneuerbarer Energie und grünen Wasserstoffs benötigt.

Niedersachsen bietet gerade in diesen Bereichen einzigartige Standortvorteile: viel Windenergie auf Land und auf See, wichtige Seehäfen zum Import und zur Verteilung von grünem Wasserstoff und großvolumige unterirdische Formationen zur Speicherung von Wasserstoff. Gerade die Georgsmarienhütte geht einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Die Stahlindustrie bildet die Grundlage vieler Wertschöpfungsketten und wird mit diesem Leuchtturmprojekt dauerhaft Arbeitsplätze sichern. Mit dieser wegweisenden industriellen Transformation werden EWE und die GMH Gruppe signifikant zum Erreichen der Niedersächsischen und damit auch deutschen und europäischen Klimaschutzziele beitragen.“

Verbindendes Großprojekt „Clean Hydrogen Coastline“ als Basis

Ausgangspunkt der großtechnischen Herstellung des grünen Wasserstoffs von EWE sei Stefan Dohler zufolge das verbindende Großprojekt „Clean Hydrogen Coastline“. Dieses bringt Erzeugung, Speicherung, Transport und Nutzung in Industrie und im Schwerlast­verkehr zusammen und setzt damit die politischen Forderungen um.

Mit dem Großprojekt hatte sich EWE im Februar 2021 im Rahmen des europäischen IPCEI-Programmes (Important Project of Common European Interest) für eine Förderung beworben und im Mai 2021 die zweite Stufe des Verfahrens erreicht. Aktuell wird die Förderung auf europäischer Ebene geprüft.

Fördergenehmigung auf europäischer Ebene notwendig

Stefan Dohler sagt:
„Wir wollen an systemdienlichen Standorten nahe der deutschen Nordseeküste bis zu 400 Megawatt Elektrolysekapazität aufbauen aus der wir je nach Absatzmarkt ab 2026 jährlich bis zu 40.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren können.“

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Erzeugungskapazitäten in den nächsten zehn Jahren bedarfsgerecht bis in den Gigawatt-Maßstab auszubauen. Der grüne Wasserstoff soll auch bei GMH zum Einsatz kommen.

Transportiert werden soll der Wasserstoff aus den EWE-Anlagen über neu entstehende Wasserstoffpipelines, die unter anderem im Großprojekt „Clean Hydrogen Coastline“ gebaut werden, ebenso wie im geplanten Vorhaben „HyPerLink“ des Ferngasnetzbetreibers Gasunie. Dazu finden bereits Gespräche mit möglichen Infrastrukturbetreibern statt.

Über die Pipelines könnte eine infrastrukturelle Einbindung der GMH-Anlagen sichergestellt werden. Durch die Positionierung der EWE-Produktionsanlagen an wichtigen Offshore-Anbindungspunkten besteht zudem die Möglichkeit, den Import von grünem Wasserstoff zu integrieren. Für die Vorhaben sei jedoch eine zügige Fördergenehmigung auf europäischer Ebene notwendig.

Weitere gemeinsame Wasserstoffaktivitäten geplant

Neben dem geplanten Einsatz von grünem Wasserstoff aus EWE-Erzeugungsanlagen im Nordwesten engagieren sich die Partner für weitere Wasserstoffprojekte. Im Oktober haben Georgsmarienhütte und EWE mit den Unternehmen KME Germany, Q1, EWE, Felix Schoeller und dem Logistiknetzwerk KNI eine Absichtserklärung für gemeinsame Wasserstoffprojekte in der Wirtschaftsregion Osnabrück unterzeichnet.

Geplant sind der Bau eines Elektrolyseurs und einer Wasserstofftankstelle. Davon sollen nicht nur die beteiligten Partner profitieren, sondern die gesamte Region. Derzeit läuft eine Machbarkeitsstudie, die die Größe und die Ausgestaltung der Elektrolyseanlage näher betrachtet. Mit Ergebnissen rechnet das Konsortium im Spätsommer.

Parallel hat Partner EWE die Fördermittel-Akquise für das Elektrolyse-Projekt begonnen, denn ohne finanzielle Unterstützung sind Wasserstoff-Erzeugungsanlagen bisher nicht wirtschaftlich finanzierbar. Bei Zusage der Förderung erfolgen die nächsten Schritte, unter anderem die Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages mit anschließender konkreter Projektplanung.

(Quelle: Georgsmarienhütte GmbH)

Schlagworte

AnlagenBundCO2DekarbonisierungDeutschlandDSVElektrolyseElektrolyseurElektrostahlwerkEmissionenEnergieEnergiewendeErdgasErgebnisEssenEUGeorgsmarienhütteGMHHochofenIndustrieINGKlimaKlimaschutzKlimazielKlimazieleKMEKooperationLogistikMachbarkeitsstudieMarienhütteNachhaltigkeitNiedersachsenOffshoreProduktionRohstoffeSachsenSchrottStahlStahlerzeugungStahlherstellungStahlindustrieStahlproduktionStahlwerkStudieTransformationTransportUnternehmenUSAWasserstoffWirtschaft

Verwandte Artikel

Frank Becker, Geschäftsführer ROGESA/ZKS, bei der Übergabe der Urkunde an Renata Costa: Sales Europe & North America Director.
05.12.2025

Vale als „TOP-Lieferant 2024“ ausgezeichnet

Die ROGESA Roheisen- und Rohstoffgesellschaft Saar mbh und die ZKS Zentralkokerei Saar GmbH haben den brasilianischen Eisenerzproduzenten Vale als „Top Lieferant 2024“ a...

Auszeichnung Dillinger Direktreduktion DRI-Anlage Einsatzstoffe EU Gesellschaft Hochofen Industrie ING Innovation Kokerei Managementsystem Nachhaltigkeit Partnerschaft Roheisen Saarstahl Saarstahl AG SHS Stahl Stahlindustrie Strategie Transformation Transformationsprozess Vorstand Zentralkokerei Saar
Mehr erfahren
Schrottlager bei Feralpi
04.12.2025

Feralpi Group gewinnt den ESG Transparency Award

Die Feralpi Group wurde mit dem ESG Transparency Award 2025/2026 ausgezeichnet. Die Jury würdigte u. a., dass die Bedeutung der öffentlichen Nachhaltigkeitsberichterstatt...

Auszeichnung Award Bonn Energie Entwicklung Essen EU ING Klima Klimaschutz Nachhaltigkeit Stahl Strategie TEMA Umwelt Unternehmen Wettbewerb Wirtschaft
Mehr erfahren
Im Herzen der Bandgalvanik: Ein Stahlband durchläuft eine Verzinkungszelle
04.12.2025

Salzgitter AG und Umicore kooperieren

Salzgitter AG und Umicore‘s Business Unit MDS (Metal Deposition Solutions) haben gemeinsam einen Prozess etabliert, der die Rückgewinnung des seltenen Edelmetalls Iridium...

Automobil Bandverzinkung Elektrolyse Elektrolyseur Entwicklung EU Flachstahl Forschung ING KI Kooperation Kreislaufwirtschaft Recycling Salzgitter Flachstahl Salzgitter Flachstahl GmbH Stahl Technik Transformation Transformationsprozess Wasserstoff Wirtschaft Zink
Mehr erfahren
Primetals Technologies modernisierte das Reversier-Kaltwalzwerk bei ArcelorMittal Eisenhüttenstadt
03.12.2025

Kaltwalzwerk bei ArcelorMittal Eisenhüttenstadt modernisiert

ArcelorMittal Eisenhüttenstadt erteilte Primetals Technologies kürzlich das vorläufige Abnahmezertifikat (PAC) für eine umfangreiche Modernisierung seines Reversier-Kaltw...

Antrieb ArcelorMittal Automatisierung Automobil Brandenburg Eisenhüttenstadt Emissionen Entwicklung EU Flachstahl Industrie Kaltwalzen Kaltwalzwerk Modernisierung Presse Primetals Produktion Roheisen Software Stahl Stahlherstellung Stahlwerk Steuerung Unternehmen Walzen Walzwerk Zertifikat
Mehr erfahren
Jochen Burg, CEO der SMS group, während seiner Eröffnungsrede auf der worldsteel Breakthrough Technology Conference.
03.12.2025

SMS stellt Instrument für Anlagenbewertung vor

Das datengetriebene Entscheidungswerkzeug - das Plant Assessment Tool (PAT) - nutzt live simulierte Modelle und Sensitivitätsanalysen zur Berechnung der tragfähigsten Weg...

Anlagen CO2 Dekarbonisierung Direktreduktion Eisenerze Elektrifizierung Emissionen Energie EU Getriebe Green Steel Hochofen IMU Industrie ING Innovation Nachhaltigkeit Paul Wurth SMS group Stahl Stahlindustrie Strategie Tata Steel Transformation USA Wettbewerb Wirtschaft Worldsteel Wurth
Mehr erfahren